Montag, 10. September 2012

Drachentöter

Weniger eine buchbesprechung, sondern eigene gedanken zu einem buch und einem buchvorstellungsvideo.

An sich bin ich kein freund von geheimdiensten. Was mich dazu bewog, das buch »Drachentöter« von herrn Kierstein zu lesen war, daß ich einige leute kenne, die im umfeld einer »stasi-gedenkstätte« gearbeitet haben. Nicht freiwillig, sondern im rahmen von »arbeitsmaßnahmen« und zu hungerlöhnen aus staatlichen »fördertöpfen«.

Am rande bemerkt, ist es schon interessant, daß diese figuren, die immer so laut nach dem kapitalismus schreien, ihn dann nicht einfach praktizieren. Weshalb sind die nicht in der lage, ihren quark simpel dahingehend marktkonform zu organisieren, daß sie ohne staatsknete und ohne staatlich subventionierte billigstlöhner auskommen? Konsequenz wäre eine super sache!

Und selbstverständlich auch ein verzicht auf staatlich subventionierte höchstlöhner, die es mutmaßlich gibt – seit 2002 sind rund 28 millionen € allein in die gedenkstätte Hohenschönhausen geflossen, für die »forschung«, die bis heute nicht im stande war, stichhaltige beweise zu liefern. Weshalb man offenbar um so lauter schreien muß, wenn argumente ausgesprochen werden, die gegen die kruden behauptungen sprechen. Übrigens dürften in diesem erklecklichen sümmchen die billigheimerarbeitskräfte nicht einmal drin sein – die werden für gewöhnlich nicht am »einsatzort« eingestellt, die kommen über sogenannte »beschäftigungsträger«, mit denen sie so etwas wie einen arbeitsvertrag haben, von dort erhalten sie auch ihren mangelhaften lohn.

Die staatlich subventionierten billigstlöhner dürfen in diesem staat, der das beste wirtschaftsystem aller zeiten hat, nicht sagen, daß sie eine arbeit aus politischen oder gar wirtschaftlichen gründen nicht erledigen möchten. Denn dann wird ihnen – übrigens ohne richterlichen beschluß - die lebensgrundlage entzogen.

Die staatsgewalt ist hier total klasse organisiert: Auf jeden fall funktioniert der realkapitalimus in punkto unterdrückung erheblich effizienter als der realsozialismus es je gekonnt hätte.

Bei youtube ist zur buchvorstellung dies video zu bewundern:



Über das betragen der leute die dort als »zeitzeugen« auftraten möchte ich mich kaum auslassen. Eine szene läßt tief blicken, wie diese menschenfreunde, die gegen das unrecht kämpfen, denken: Da erzählt in der diskussion ein besucher der veranstaltung über seine unwürdigen haftbedingugen – ich halte die schilderung durchaus für realistisch, weil ich vor einigen jahren die ai-berichte gelesen habe – und die »hohenschönhausenfraktion« johlt und lacht ihn aus, als er preisgibt, als »politischer« in Westdeutschland gesessen zu haben.

Hier hat man es mit wahrhaften philantropen zu tun, man erkennt es an ihrem überbordenden interesse am schicksal anderer.

Mir erscheint es, als wären diese ewiggestrigen bis heute nicht in diesem staat angekommen – die DDR ist seit über zwanzig jahren kaputt und sie kommt auch nicht wieder - und sie leiden auch heute noch unter der »Stasi«. Die tun so, als hätte es auf westlicher seite keine opfer des kalten krieges gegeben und als hätte es politische gefangene ausschließlich im untergegangenen realsoziallismus gegeben.

Mich stört diese fortwährende wiederholung der ewiggleichen geschichten vom unreflektierten umgang mit der eigenen vergangenheit. In der zeitzeugenliste, die man über die gedenkstätte findet, stehen bestimmt auch menschen, die zu unrecht verdächtigt oder gar verurteilt wurden – justizirrtümer sind aber kein phänomen, das allein in den RGWstaaten vorgekommen wäre.

Es ist erstaunlich, wer in diesen gedenkstätten als »zeitzeuge« gilt und sich als »opfer« darstellt. Was kann mir eine person, die in der DDR eine qualifizierte ausbildung erhalten hatte und im jugendlichen alter kurz vor dem mauerfall über Ungarn aus der DDR ausreiste, von haftbedingungen in der DDR erzählen? Aus eigener erfahrung überhaupt nichts.

Bei einem anderen dieser »zeitzeugen« liest man, daß er punk gewesen sei – und daß er mehrfach krafträder unbefugt benutzt habe. Keine frage, ich finde es nicht in ordnung, wie man in der DDR mit punks umging. Aber für die »unbefugte benutzung« fremden eigentums hatten wir im »freien westen« ein anderes wort: Klauen. Da frage ich mich ehrlich, ob dieser mensch begriffen hat, was in diesem system, für das er offenbar ist, das allerheiligste ist: Nämlich das privateigentum. Nicht einsichtige mehrfachtäter kommen entweder in heime für schwer erziehbare oder wandern in den (jugend)knast. Ein freund von mir bekam in der Bonner Republik sogar mal probleme in der schule, nicht weil er selbst etwas gestohlen hätte, sondern weil der »held« einer geschichte, die er für den deutschunterricht geschrieben hatte, ein fahrrad stahl, um einem anderen zu helfen. An sowas durfte man nicht einmal denken.

Den punks übrigens hat die BRD in den frühen 80er jahren kein bundesverdienstkreuz ins herz gerammt: wer so zur schule kam, hatte sehr gute chancen, ohne abschluß von der schule zu fliegen. Dies wurde selbstverständlich nie (zumindest nicht in den 80er jahren) mit dem äußeren erscheinungsbild des schülers begründet, das wäre gegen die viel beschworene freiheit gegangen - es wurde mit mangelhafter leistung begründet. Und die ließ sich bei uns mit der »mündlichen note«, einem willkürinstrument, mit dem man beweislos unliebsame schüler loswerden konnte, »feststellen«. Das bedeutete in vielen fällen drogenkarriere, AIDS, knast, früher tod oder auch dahinvegitieren in elendsverhältnissen. Besonders politisch waren die punks grenzübergreifend eher nicht. Eher junge leute, die da wie dort aus äußerst unterschiedlichen gründen unzufrieden waren – und oft nicht einmal imstande waren, die probleme, die sie hatten, genau zu benennen. Daß die einfach auch ihren spaß haben wollten, ist doch klar - allerdings sehe ich nicht, daß im jetzigen system besonders viele leute ihren spaß hätten.

Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb ganz normale klauer sich im umfeld der gedenkstätte als »opfer« darstellen. Wird da überhaupt mal hinterfragt, wie man mit ihnen umgegangen wäre, wenn sie das in der BRD ausgefressen hätten? Selbstverständlich nicht.

Der CDUpolitiker und letzte innenminister der DDR dr. Peter Michael Diestel sagte im interview mit der Jungen Welt (ausgabe vom 28./29. april 2001):

Zitat:
»Mit dem Eintritt in die Rechtsnachfolge des MfS als Innenminister der DDR war ich zum ersten Mal mit diesem Problem [anm.d.verf:des juristischen umgangs mit dem MfS] konfrontiert und habe seit dem 3. Oktober 1990 bis zum heutigen Tag eine immense Anzahl von hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeitern des MfS juristisch vertreten. Es hat im Grunde über die Justiz eine - wie auch immer geartete, politisch allerdings nicht gewollte - Rehabilitierung dieses Personenkreises gegeben. Wenn man sich die Geschichte des MfS ansieht, d. h. die gesamten 40 Jahre, dann gibt es in diesem ganzen Zeitraum wohl nur eine einzige schwerkriminelle, strafrechtlich relevante Handlung, neben all den Dingen, die ich politisch ablehne wie Diktatur, Mauerbau und dergleichen.«

Wenn man sich sachlich mit dem thema MfS befassen möchte, ist »Drachentöter« eine interessante lektüre, die mit reichlich quellenangaben versehen ist, die man zur weiteren recherche zum thema sehr gut verwenden kann. Daß nun ausgerechnet frau Lengsfeld dies buch als »elaborat« bezeichnet, muß einen kaum wundern. Wenn man ein wenig in ihrem internetauftritt herumstöbert (wird bei mir nicht verlinkt, also bei bedarf selber googeln), stellt man schnell fest, daß die es nicht unbedingt mit argumenten hat. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn jemand, der etwas schlimmes durchgemacht hat, das aus seiner subjektiven sicht erzählt. Diese sicht jedoch als die »einzig wahre« sicht auf diese angelegenheit verkaufen zu wollen, ist dreist.

Es geht im umfeld der gedenkstätten nicht um die sachliche aufarbeitung der geschichte des kalten krieges oder darum, unwürdige haftbedingungen zu kritisieren. Es geht um pure propaganda und, weil die gelder an die gedenkstätte Hohenschönhausen ja irgendwo geblieben sein müssen, gibt es dort offenbar zumindest einige recht gut bezahlte statisten.

1 Kommentar:

  1. Liebe Mechthild,
    Ausgezeichnet! Daher:

    http://politiekencultuur.blogspot.be/2012/08/buchprasentierung-thema-mfs.html

    Innige Umarmung,
    Deine Nadja

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