Freitag, 11. März 2016

Volksabstimmung in der Schweiz zum BGE (2)

Immer wieder erstaunlich ist es, wie sich die befürworter des BGE die gegner des BGE vorstellen. Und überhaupt. Leute wie mich gibt es gar nicht Denn »wer wollte denn schon gegen die absicherung gegen not und armut sein?« fragt Peter Kasser aus der Schweiz.

Danach woher das eigentlich kommt, daß selbst normalverdienende arbeitnehmer in reichen ländern wie der Schweiz oder Deutschland ständig von armut bedroht sind, wird lieber nicht gefragt.
»Das BGE lässt sich sowieso nicht finanzieren

Hier besteht seitens der Befürworter tatsächlich Handlungsbedarf, siehe dazu den Link "Finanzierung".«
Für mich ist das überhaupt kein argument, denn wenn der staat bestimmte maßnahmen für notwendig hält, dann finanziert er sie. Allerdings hat der staat keine interesse daran, die armut abzuschaffen. Staaten mit einer kapitalistischen wirtschaftsordnung haben eher interesse daran, armut nützlich zu machen, was ihnen zu weiten teilen auch gelingt.
»Dann arbeitet eh niemand mehr

Seltsamerweise sind es immer die "Anderen", die dann angeblich nicht mehr arbeiten wollen. Direkt befragt bestätigt aber jeder, dass er oder sie selbstverständlich normal weiter arbeiten würde, BGE hin oder her. Warum dann alle "Anderen" nicht mehr arbeiten sollten, wird nicht klar. Möglicherweise werden aber jene, die mit ihren jetzigen Arbeitsbedingungen unzufrieden sind, tatsächlich eine Auszeit nehmen, um sich im Leben neu zu orientieren. Dies wird bestimmt nicht zum Schaden der Gesellschaft sein, sondern im Gegenteil darf davon ausgegangen werden, dass diese Leute neu gestärkt und motiviert aktiv am Gemeinschaftsleben teilnehmen werden, zum Wohle der ganzen Gesellschaft! Gleichzeitig wird so ein gesunder Druck zugunsten einer humanen, sinnvollen Arbeitsgestaltung erzeugt, der sich nur positiv für die Lebensqualität der Gemeinschaft auswirken kann.«
Nein. Bestätigt keineswegs jeder, daß er dann normal weiterarbeiten würde.

Ich nämlich würde nicht arbeiten, wenn ich auch so genug geld zum leben bekäme. Wer arbeit kennt und danach rennt und sich nicht drückt, der ist verrückt! Ich bin doch nicht bescheuert. Wieso sollte ich aktiv und motiviert am gemeinschaftsleben teilnehmen und mich womöglich kaputtmachen, wenn ich ausreichend geld hätte, von dem ich mir alles kaufen könnte, was ich will?

Arbeit macht das leben süß - doch faulheit stärkt die glieder! Weil ich süßkram ohnehin nicht besonders mag, würde ich lieber mit gestärkten gliedern durch die welt laufen. Das würde ich auch allen anderen empfehlen. Schließlich ist arbeit mühsal und das sollte man sich nur im notwendigen rahmen antun und wenn dank ausreichender geldmenge keine notwendigkeit besteht, läßt man es besser bleiben.
»Wer macht dann die schlecht bezahlte "schmutzige" Arbeit?

In der freien Marktwirtschaft entscheidet das Gesetz von Angebot und Nachfrage über die Lohngestaltung. Bleibt das Lohnangebot schlecht, wird sich kaum jemand um "schmutzige" Arbeit reissen, das Lohnangebot wird entsprechend verbessert werden müssen.«

Es gab eine zeit, da wurden in Deutschland beispielsweise müllwerker relativ gut bezahlt. Ein für arbeitgeber günstiger nebeneffekt der h4reform war, daß das heute nicht mehr so ist, weil es damit möglich ist, menschen zu arbeiten zu zwingen, die sie normalerweise zu diesen konditionen nicht machen würden.

Unter anderem aus diesem grund darf man sicher sein, daß es kein BGE geben wird, von dem man auch nur halbwegs vernünftig leben könnte.
»Wer ist überhaupt BGE-bezugsberechtigt?

Einige Befürworter verknüpfen die Bezugsberechtigung mit dem Wohnsitzrecht sowohl von Schweizern wie von Ausländern - hier besteht wohl ein detaillierter Erklärungsbedarf, was es mit diesem Wohnsitzrecht genau auf sich hat. Andere Befürworter verknüpfen das Bezugsrecht mit der Staatsbürgerschaft, so wie beim Stimm- und Wahlrecht.

Dann werden wir von Ausländern überschwemmt, die sich hier niederlassen und auch ein BGE beziehen wollen

Diesem Argument haben die Befürworter zur Zeit nicht viel entgegenzuhalten. Sie beschwichtigen auf drei Fronten:
1) Das ist doch wunderschön, wenn die Ausländer hierher kommen wollen, sie sind alle willkommen hier. - Das Argument tönt sehr hohl, denn irgendwann hat auch die reiche Schweiz zu wenig Geld, um beliebig vielen Ausländern ein BGE zu zahlen.
2) Das wird schon nicht passieren, wir müssen nur dafür sorgen, dass es den Ausländern in ihrem eigenen Land gut genug geht. - Auch das ein eher tönernes Argument, denn das Kaufkraft-Gefälle zum nahen und weiten Ausland wird auch bei einem relativ niedrigen BGE auf absehbare Zeit sehr hoch bleiben.
3) Die bestehenden Gesetze genügen vollauf, um die Einwanderung von unerwünschten Ausländern zu unterbinden. - Eine eher blauäugige Behauptung, denn diese Gesetze können problemlos unterlaufen werden, wenn im Gegenzug ein zusätzliches BGE winkt.
Ein Lösungsansatz wäre vielleicht, die Sozialleistungen für Ausländer vorerst unverändert auf dem jetzigen Stand beizubehalten und das BGE in einem ersten Schritt nur für die in der Schweiz wohnhaften Schweizerinnen und Schweizer einzuführen. Diskussionspartner seien aber gewarnt: jede kritische Frage zu diesem Thema etwa an BIEN-CH Vizepräsident Albert Jörimann wird postwendend mit persönlichen Beleidigungen der unflätigsten Art quittiert - wie der Schreibende am eigenen Leib erfahren musste!«
Das sind zwei punkte, die mir ehrlich gesagt herzlich egal sind, gleichgültig, ob man das auf die Schweiz, Deutschland oder irgendein anderes land bezieht.
»Was passiert, wenn ein Auslandschweizer in die Schweiz zurückkehrt und sich hier niederlässt?

Normalerweise kommt er per sofort in den Genuss des BGE, auch wenn er nie AHV-Beiträge bezahlt hat. Dabei ist jedoch eine Kompensation mit seinen ausländischen Rentenguthaben zu klären.«
Das ist aber komisch. Das BGE soll doch unabhängig von sonstigen einkommen gezahlt werden. Weshalb sollen dann ausgerechnet renten aus dem ausland angerechnet werden? Bescheuerter geht es wohl nicht.
»Was passiert mit jenen BGE-Bezugsberechtigten, die nach der Pensionierung in der Schweiz, aber noch vor Einführung des BGE, ins Ausland verreist sind, um sich dort niederzulassen, und dort jetzt ihre AHV beziehen? Erhalten sie anstelle der AHV neu das volle BGE im Ausland?

Das muss noch geklärt werden, vor allem bei gekürzten AHV-Renten. Eventuell wird in diesem Fall die jetzige AHV unverändert weiter geführt.

Und was passiert mit jenen BGE-Bezugsberechtigten, die sich nach der Pensionierung, und nach Einführung des BGE, im Ausland niederlassen?

Sie erhalten wohl das volle BGE, auch ohne Wohnsitz in der Schweiz.«
Wenn man sich in irgendeine armutsregion der welt absetzt, kann man von einem Europäischen BGE vielleicht leben, wer weiß?
»Wozu sollen auch die Reichen und Superreichen ein BGE erhalten, obschon sie dieses gar nicht brauchen?

Da kann man nur sagen: gleiches Recht für alle! Das BGE stellt ein (wirtschaftliches) Menschenrecht in einer reifen Gesellschaft dar, von diesem Recht darf niemand ausgeschlossen werden. Wenn die Gesellschaft der Ansicht ist, dass die "Reichen und Superreichen" sonstwie zur Kasse gebeten werden sollten, muss sie sich einen anderen Rechtsweg ausdenken.«
Seltsam, daß das, was für die reichen gelten soll, nicht auch für renten aus dem ausland gelten soll. Halt wie immer. Alle gleich und die reichen gleicher.
»Das BGE fördert den Müssiggang

Vergleiche dazu obigen Eintrag "Dann arbeitet eh niemand mehr".«
Das wäre durchaus ein argumet dafür. Allerdings wird das leider, leider nicht eintreten, siehe oben.
»Dann wird der Drogen- und Alkoholkonsum weiter zunehmen, wenn dafür gratis und bedingungslos Geld zur Verfügung steht

Geld war noch nie Auslöser für Drogen- oder Alkoholkonsum. Von daher stimmt es sicher nicht, dass dieser Konsum mit Einführung des BGE weiter zunehmen wird. Andererseits ist zu erwarten, dass die Beschaffungskriminalität wesentlich zurückgehen wird, wenn ein Basiseinkommen zur Verfügung steht. Im übrigen wird auch in Zukunft jeder Mensch für seine Lebensgestaltung die eigene Verantwortung tragen müssen.«
Es ist anzunehmen, daß weder der drogen- und alkoholkonsum zunehmen wird, noch die beschaffungskriminalität sinken wird - für eine anständige heroinsucht werden die drei kröten, die man als BGE erhält ohnehin nicht ausreichen.

Im übrigen bedeutet das BGE, daß es auch keine staatlichen hilfen mehr für schwerstabhängige geben wird. Es würde mit BGE wahrscheinlich nicht mehr drogenabhängige geben, jedoch würde es den süchtigen schlechter gehen, weil sie dann außer dem BGE keine unterstützung bekämen und dann auf die hilfe irgendwelcher betschwestern angewiesen wären, die ihnen dann zusätzlich zu ihrer krankheit auch noch moralische vorwürfe machen.
»Arbeit ist moralische Pflicht, dafür muss auch ein finanzieller Ansporn bestehen bleiben

Für all jene, denen (meist aus religiösen Gründen) Arbeit eine moralische Pflicht ist, wird es auch in Zukunft genügend Möglichkeiten geben, sich arbeitsam zu betätigen! Es soll aber niemand seine eigenen religiösen Moralvorstellungen anderen Menschen aufzwingen wollen!«
Das wäre glatt mal ein wort! Allerdings ist anzunehmen, daß mit dem BGE aus jener moralischen pflicht eine wirtschaftliche zwangslage wird, weil anzunehmen ist, daß das BGE nie so ausfallen wird, daß man davon ein auch nur halbwegs vernüntiges leben führen könnte.
»Frauen verlieren einen Grossteil ihres finanziellen Ansporns, sich in die Arbeitswelt zu integrieren und Karriere zu machen

Das BGE ersetzt nicht ein volles normales Lohneinkommen, am Ansporn selbst verändert sich somit gar nichts. Der Druck zugunsten der Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Arbeitswelt dürfte dank dem BGE weiter zunehmen, denn "gleiches BGE" verlangt an sich schon "gleichen Lohn". Anteilmässig wird sich jedenfalls die Lohnanpassung ganz wesentlich zugunsten der Frauen verbessern, wenn das BGE als Lohnbestandteil in gleichem Umfang an Mann und Frau ausbezahlt wird.«
Hier wird mein verdacht bestätigt, daß das BGE kein gescheites lohneinkommen ersetzen soll. Wenn das der fall ist, wird damit die »gleichberechtigung« auf eine ziemlich ekelhafte weise durchgesetzt, nämlich daß der »gleiche lohn« keineswegs zugunsten der frauen sondern zu ungunsten der männer ausfallen wird, weil das BGE für ein angenehmes leben nicht reicht und dann jeder zusehen muß, wie er ein wenig dazuverdienen kann.
»Wie wird über die Höhe des BGE entschieden?
Darüber kann erst auf Grund einer intensiven Diskussion innerhalb der ganzen Gesellschaft entschieden werden. Das entscheidende Kriterium beim BGE ist die Absicherung eines menschenwürdigen Basiseinkommens, das die minimalen finanziellen Bedürfnisse eines jeden Menschen in dieser Gesellschaft abdeckt. Darin enthalten sind auch Ausgaben, die eine bescheidene Teilnahme am sozialen Leben ermöglichen (Kinobesuch, Essen auswärts, kleinere Ausflüge, u.ä.). Das BGE soll weder luxuriös noch notdürftig sein, sondern "anständig/bescheiden" in einem vernünftigen Rahmen.«
Beischeiden? Vernünftiger rahmen?

Das sind dehnbare begriffe. Entschieden wird nach kassenlage - und die sieht im zweifel immer mau aus.

Eines kann man mit sicherheit ausschließen: daß das eine verbesserung darstellt für menschen, die auf lohnarbeit angewiesen sind.

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